O.
Henry: „The Green Door” Erschienen in: The Four Million, 1906. – ![]() ![]() |
Rudolf Steiner ist ein
Klavierverkäufer in New York City. Er unternimmt gerne Spaziergänge in
der Stadt um Neues zu erleben. Eines Abends erhält er auf der Straße von einem Schwarzen eine Karte mit Werbung überreicht. Während er auf den weg geworfenen Karten die Werbung für einen Zahnarzt liest, hat seine Karte nur die drei Worte: „The Green Door”. Erstaunt reiht er sich nochmals in den Strom der Fußgänger ein und der schwarze Äthiopier überreicht ihm wieder eine Karte mit „The Green Door”. Beim dritten Versuch erntet Rudolf nur einen Blick der Verachtung. Er nimmt das Angebot des Abenteuers auf und betritt das mehrstöckige Haus in dem der Zahnarzt seine Dienste anbietet. Viele andere Parteien werben am und im Haus. Im ersten Stock sieht er eine grüne Tür. Er klopft, nach kurzem Warten öffnet sich die Tür und eine junge Frau, keine 20 Jahre alt, öffnet. Sie ist bleich und schwankt. Rudolf stützt sie während sie ohnmächtig wird. Rudolf steht in einem Zimmer, das Armut verkündet. Als sie zu sich kommt, erklärt sie, dass sie seit drei Tagen nichts gegessen hatte. Schnurstracks verläßt er das Appartment und besorgt reichlich zu trinken und essen. Die beiden stellen fest, dass sie alleine in New York sind. Das Mädchen wird schläfrig, er verabschiedet sich nicht ohne zu versichern, dass er morgen wiederkommt. Und sie fragt noch, wie er überhaupt zu ihr gekommen ist. Er will den Hergang nicht nennen und schwindelt, dass im Haus ein Kunde wohnt und er an die falsche Tür geklopft habe. Nachdem er sie verlassen hat will es Rudolf genau wissen und siehe da, alle Appartmenttüren sind grün. Dann sucht er den Kartenverteiler. Dieser klärt ihn auf, dass das Theaterstück „The Green Door” schon angefangen habe. Er habe unter die Zahnarztwerbung auch einige Karten für das Theateraufführung gemischt. Auf dem Nachhauseweg erklärt Rudolf an einer Straßenlaterne herzhaft, dass ihn das Schicksal zum Mädchen geführt habe. Er ist ein wahrer Verfechter von Romantik und Abenteuer. |
Schicksal oder Zufall? |
Der Zufall oder das Schicksal
oder was-immer spielen eine große Rolle in der Erzählung.
Die Antwort ist schwierig, da nahezu jeder unter diesen Begriffen Verschiedenes versteht.
Ich lese „The Green Door” so, dass die Antwort unerheblich ist.
Rudolf Steiner legt sich am Ende fest. Er spricht den Laternenmast (!) an: „All the same, I believe it was the hand of Fate that doped out the way for me to find her”. |
Rudolf Steiner |
Der Name läßt die Leserinnen –
zumindest die deutschsprachigen – sofort an den
historischen Rudolf Steiner denken. Ich bin dazu kein
Experte und sehe keinen Zusammenhang. Allerdings benutzt Rudolf einmal
den deutschen Ausdruck des Erstaunens: „Himmel!”. Rudolf stuft Laura Jean Libbey: Junie's Love Test als das Buch ein, das ihn am meisten beeinflußte. Laura Jean Libbey schrieb wie am Fließband 82 Romane, sogenannte „sensational dime novel romances for women”. Junie's Love Test ist von 1886. O. Henry will damit wohl unterstreichen, dass Rudolf Steiner ein durchschnittlicher Otto Normalverbraucher ist. |
Der Erzähler |
leitet die
Story mit einem längeren Exkurs über das Abenteuer im
Alltag, das er mit Romantik verbindet („Romance and Adventure”, jeweils
mit Großbuchstaben). Er unterscheidet den wahren Abenteurer, vom
halbherzigen, der das Abenteuer mit einem Ziel oder Gewinn verbinden.
Sein Beispiel des wahren Abenteurers ist der Verlorene Sohn (Lukas,
15,11–32). Etwas verwirrte mich dabei die Einschränkung: „A fine example was the
Prodigal Son — when he started back home.”
War der Verlorene Sohn nicht echter Abenteurer, als er das behütete
Heim verließ?Schließlich führt der Erzähler den Klavierverkäufer Rudolf Steiner als wahren Abenteurer ein und erzählt die Geschichte relativ nüchtern. |
The Green Door |
Die grüne Tür muss öfters als
Zugang zu geheimnisvollen Vorgängen dienen, so z.B. auch im Pophit:
„Green Door” (![]() In Victorianischen Zeit war „the green baize door” die Trennlinie zwischen den Bediensteten und der Herrschaft, siehe ![]() In der Kurzgeschichte von O. Henry wird die grüne Tür zum Symbol für das Abenteuer, auf das man sich einlassen soll. Bevor Rudolf das Haus verläßt entdeckt er an allen von ihm inspizierten Türen, dass sie grün waren. Botschaft: man könnte Rudolfs Erlebnis als einzigartigen Glücksfall abtun, doch hinter jeder grünen Tür wartet das Abenteuer. |
Sprache |
O. Henry wird als wortgewaltiger
Erzähler mit seinem Wortschatz gleich hinter Shakespeare genannt. Will
es die deutschsprachige Leserin genau wissen, muss sie öfters zum
Wörterbuch greifen. In „The Green Door” wird vieles personifiziert und vermenschlicht, damit alles plastischer vor die Augen tritt. Einige Beispiele
Ein weiteres Bild ist beispielsweise „the daughter of the Full Moon and first cousin of the Sidereal System” und Abenteuer aller Art verheißend „ a polyglot babel of signs” am fünfstöckigen Haus. NB. O. Henry verwendet hier die deutsche Zählung der Stcokwerke, bei der das Erdgeschoß extra läuft: der 1. Stock wird über eine Treppe erreicht. O. Henry baut auch einige Gegensätze ein, so der Hinweis auf das erste große epische Abenteuer des Abendlands, die Ilias und den Groschenroman Junie's Love Test (Liebesroman von 1886) in einem Satz. |
Fazit |
„The Green Door” erschien zuerst
in der Anthologie The Four Million,
1906. Eine Ironie der Geschichte ist, dass Rudolf die Werbekarte für ein Theaterstück am Broadway erhält, aber in das aufregende Erlebnis im wirklichen Leben findet. Der Vorwurf des Erzählers „We are grown stiff with the ramrod of convention down our backs” erhöht die Spannung und die Story plädiert dafür diesen Stock aus dem Rücken zu ziehen. Es ist eine ausgezeichnete Kurzgeschichte, die man auch heute und gelegentlich auch immer wieder neu, lesen kann. |
Weiteres unter dem Begriff „The Green Door” | |
Mary E. Stone Basset: The Little Green Door (1905) |
|
Mildred Benson
(eigentlich
Mildred A. Wirt): Behind the Green
Door, Kriminalroman, siehe unter ![]() |
|
![]() |
|
![]() |
|
![]() |
|
Die grüne Tür taucht oft in der
Literatur auf, so in A.A. Milne: Winnie-the-Pooh.
Christopher Robin, der Freund von Winnie-the-Pooh, wohnt hinter einer
grünen Tür in einem anderen Teil des Waldes. |
|
H.G. Wells: „The
Door in the Wall” (1911) |
|
|
Links |
Text
online: ![]() ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Literatur |
Weitere Literatur von und zu O.
Henry siehe unter der Autorenseite ![]() |
Ergänzende Literatur |
|
![]() |
![]() |
![]() |